Nach zwei regennassen Tagen in Ullapool ruft uns die Sonne in die Abgeschiedenheit. So ein Regentag lässt sich in dem kleinen Küstenort am Loch Broom ( mit „broom" ist hier der Ginster und nicht ein Besen gemeint), sehr gut mit der Einkehr in ein Café oder einen Pub bestreiten. Doch der Zauber von Schottland entfaltet sich für mich in den einsamen Tälern und menschenleeren Buchten. Nebel- und tropfenreiche Wolkenperioden gehören zwar zum gängigen Vorstellungsbild von Schottland, aber erst ein paar Sonnenstrahlen lassen jetzt im Mai die blühenden Ginsterbüsche, das glasklare Meer und die saftigen Wiesen leuchten. Wir verlassen also die breiteren Straßen und fahren auf Single-Track-Roads Richtung verborgener Natur. Entschleunigung! Hinter jeder Kurve werden wir mit neuen, herzberührenden Ausblicken beschenkt. Kurz bevor die kleine Straße der Kategorie „B mit vier Zahlen“ plötzlich endet, finden wir den Hinweis zu einem Stellplatz in einer Bucht mit Seehunden und Kegelrobben. Die Gebühren für diesen Schlafplatz vor Traumstrand möge man doch bitte in eine kleine, rote „Ehrlichkeitsbox" entrichten. Der alte Goethe formulierte 1829 einen Zusammenhang zwischen der Vegetation eines Landes und der Gemütsart seiner Bewohner. Danach würden hohe, ernste Eichen den Menschen anders prägen, als luftige Birken. Im Norden Schottlands dominiert die karge Weite. Mir gefällt die Idee, dies könne der Grund für Ehrlichkeit und Vertrauen sein.
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Isa (Samstag, 20 Mai 2023 13:16)
Hallo Ihr Lieben, Euer feines Gespür für Herz- und Seeie- erwärmende Orte ist bewundernswert! Deshalb folge ich begeistert Euren Wegen ...! Ganz liebe Grüße sendet Isa